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HNA Nr. 269

hna nr_269_ks_am_mittwoch_17_november_1999KORSETT-ATELIER
Wespentaille mit Scarlett und Tess
Schwere Seidenstoffe, Baumwolle, Elastikfedern: Das Korsett kehrt zurück. In der Wilhelmshöher Allee hat vor kurzem ein Atelier eröffnet.

KASSEL "Viktorianische Schnürkorsetts". Das klingt nach bleichen Damen, die bei Soireen erst zum Fächer greifen und dann ohnmächtig zu Boden sinken. Nach Folter im Ankleidezimmer - darf''s noch ein bisschen mehr Wespentaille sein? Vor allem hat es den Geruch von Uromas Erzählungen beim Muckefuck."Viktorianische Schnürkorsetts".

Unter dieser Überschrift inserierte Susanne Braasch im Sommer im Hamburger Magazin "Stern". Denn: "Ich wollte einfach mal schauen, wie der Markt ist." Offenbar bereit. Aufgrund der Mini-Annonce hätten sich eine ganze Reihe von Leuten gemeldet, sagt Braasch. 200 Prospekte habe sie bis nach Österreich, in die Schweiz, Belgien und Luxemburg verschickt. Das war Ende Juni, seit dem 19. Oktober gibt es auch eine Lokalität zur Anzeige. In der Wilhelmshöher Allee 178 mietete die 35jährige einen Laden an, "Kasseler Korsett Atelier" steht in geschwungenen Buchstaben über der Eingangstür. Auch innen strahlt einem Eleganz mit Parkett, Stahl und einer einsamen roten Rose auf dem Verkaufstresen entgegen.
Ausserdem sind Antonia, Rose, Tess, Viktoria und Scarlett da. So heissen die Korsette, die Braasch anbietet, moderne Entwürfe, aber auch Modelle aus der Rokokozeit oder der viktorianischen Ära. Schwere Seide, Baumwolle, Spiralfedern, Edelstahlstäbe. Samtband und Rükkenstütze. Vorne Haken und Ösen, hinten Schnüre. Alles handgearbeitet.


Reine Nostalgie? Keineswegs. Das Korsett sei wieder im Kommen, so Braasch, wer sich Fotos in Klatschmagazinen oder Musikvideos anschaue, könne das leicht feststellen. Ende des 20. Jahrhunderts eine Rolle rückwärts um 100 Jahre? Anfang des Jahrhunderts kämpften sowohl Frauenbewegung als auch Lebensreformer gegen das den Körper einengende Korsett für weite, bequeme Kleidung.

"Korsett war früher ein Muss, heute ein Kann", erklärt Braasch. Ohne das Kleidungsstück, das im Extremfall die Taille bis auf 40 Zentimeter zusammenschnürte und durch die S-Forrn Haltungsschäden hervorrief, ging frau damals nicht aus dem Haus. Heute muss niemand mehr irgendeine Form von Unterwäsche anziehen, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Grund genug für eine Renaissance des Kleidungsstücks, bei dem inzwischen darauf geachtet wird, dass es bequem zu tragen ist. Nach wie vor ist mit Korsett eine krumme Haltung aber nicht drin. Ausserdem ist es ein durchaus erotisch wirkendes Accessoire, das auch als Oberbekleidung herhalten kann.

Susanne Braasch selbst weiss schon gar nicht mehr, wie viele Korsetts sie im Schrank hat. Sie habe die Körperformer "immer schon spannend" gefunden, als. eine Freundin ihr ein Exemplar lieh, habe sie Feuer gefangen, aber festgestellt, "dass die Qualität oft nicht stimmt." Die gelernte Buchhändlerin wagte den Sprung ins kalte Wasser und eröffnete den deutschlandweit ersten Laden für Korsetts. Ganz billig sind Scarlett und ihre Schwestern übrigens nicht. 570 bis 1300 Mark müssen für sie hingeblättert werden. (she)

Anprobieren ist wichtig, auch um festzustellen, ob der Stoff angenehm ist: HNA-Redakteurin Iris Hetscher (vorne) und Korsett-Expertin Susanne Braasch. (Foto: Lantelmé)
Artikel in der HNA Nr. 269 KS am Mittwoch. 17. November 1999 Seite 12 unter
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